7 Tage
Mit seiner Ausstellung im Casino Luxembourg schließt das Künstlerduo M+M (Marc Weis und Martin De Mattia) seinen Videozyklus 7 Tage ab. Die sieben Filminstallationen entstanden seit 2009 sukzessive in einem Zeitraum von beinahe sieben Jahren. Im Rahmen der Ausstellung konnte das Duo die letzten beiden Folgen der Reihe fertigstellen und zeigt erstmalig das gesamte Werk in einer Einzelausstellung.Beim Durchstreifen des Ausstellungsparcours begegnet dem Besucher immer wieder der gleiche Protagonist - dargestellt von dem Schauspieler Christoph Luser. Dieser sieht sich innerhalb der 7 Tage scheinbar alltäglichen, jedoch vollkommen gegensätzlichen Situationen ausgesetzt. Dabei findet der ambivalente, teils melancholisch oder bedrohlich wirkende Charakter des Helden in jeder der sieben Zweikanal-Installationen eine andere, überraschende Ausprägung. So erlebt der Besucher ein filmisches Kaleidoskop heterogener Persönlichkeitsfacetten, zwischenmenschlicher Begegnungen und atmosphärisch aufgeladener Situationen.
Alle sieben Filminstallationen beziehen sich auf Schlüsselszenen aus unterschiedlichen Spielfilmen, wie z.B. aus dem Horrorfilm Tenebre (Dario Argento) oder dem Tanzfilm Saturday Night Fever (John Badham). Das Künstlerduo entfernt sich jedoch oft beträchtlich vom jeweiligen Vorbild und verleiht auf diese Weise der Erzählung eine ganz eigene Lesart. Die Wirkung der reduzierten und einfachen Dialoge und Handlungen könnte banal sein, ginge von den neuen Filmsequenzen nicht eine große Spannung und Bedeutungskraft aus. Jede Installation setzt sich aus zwei parallel projizierten Varianten der neu inszenierten Szene zusammen, die synchron zueinander ablaufen, sich aber im Bezug auf ihre Emotionalität meist kontrastiv entgegenstehen. Der Protagonist trifft so in den beiden Zwillingsszenen gleichzeitig auf zwei unterschiedliche Gegenüber, seien es Gesprächspartner, imaginierte Geliebte oder Mordopfer. So findet das gleiche Gespräch in Montag zwischen dem Mann und seiner Frau und parallel dazu zwischen dem Mann und seiner Tochter statt. Oder die Hauptfigur tanzt im Samstag mit einem Mädchen und gleichzeitig mit einem jungen Mann. Eine klare familiäre oder erotische Einordung verliert sich zugunsten emotionaler Zwischentöne, während die Handlungsmomente und Kameraeinstellungen in beiden parallelen Filmvarianten framegenau aufeinander Bezug nehmen. Es entsteht ein vielschichtiges Geflecht aus Texten, Gesten und Musik. Die beiden nahezu deckungsgleichen Dialoge und Handlungen beginnen zu oszillieren.
Gemeinsam ist allen 7 Tagen der unterschwellige Zustand einer Krise, ein ambivalenter Kipp- oder Schwebezustand, in der die Hauptfigur vor einem bewussten oder unbewussten Wendepunkt zu stehen scheint, ob nun als Liebhaber, Tänzer oder Mörder.Wesentliches Auswahlkriterium für die von M+M einbezogenen Szenen sind charakteristische zwischenmenschliche Beziehungen und die psychologische Dimension, die in ihnen enthalten ist. M+M bemächtigen sich der Filmsprache, um ein zentrales gesellschaftliches Thema, die Entstehung und Auflösungserscheinungen von Identität, anzusprechen: als Individuum, als Kollektiv, als Paar. Identität, sei sie nun angenommen oder projiziert, wird unweigerlich über Sprache, Gesichtsausdrücke, Körpersprache und durch die Beziehung zwischen den einzelnen Individuen wahrgenommen und produziert eine Vielzahl komplexer Wechselwirkungen, Beziehungen und Spannungen. In der Parallelität der Doppelprojektionen von M+M, d. h. in zwei scheinbar nur minimal verschobenen Situationen zeigen sich bereits die Risse und Widersprüche, die der Charakter des Protagonisten in sich trägt und die in der Gesamtschau aller Wochentage noch radikaler zum Ausdruck kommen. Die Identität der Hauptfigur der 7 Tage erscheint unbeständig und nomadenhaft. Sie besteht aus plötzlichen Wechseln, die gleichermaßen von neuen Begegnungen, vom Umfeld aber - auf einer zweiten Bedeutungsebene - auch von dem Filmgenre abhängig sind, aus der die jeweilige Situation entwickelt ist.
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Mit der Unterstützung von: ifa - Institut für Auslandsbeziehungen e.V. Stuttgart.