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Giraud Siboni The Death of Ray Kurzweil ok.jpg

The Unmanned

Künstler*in(nen)
Fabien Giraud, Raphaël Siboni
Kurator*in(nen)
Kevin Muhlen

In der ersten institutionellen Einzelausstellung von Fabien Giraud und Raphaël Siboni sind die neusten Werke des französischen Künstlerduos im gesamten Ausstellungskomplex des Casino Luxembourg zu sehen. Die Praxis der aus dem Dokumentar- und Spielfilmbereich kommenden Künstler dreht sich um Fragen der Vermessung und der Betrachtung der Welt. Ihre Hinterfragung von technischer Entwicklung, Zeit und Größenverhältnissen führt sie über den menschlichen Maßstab hin zu einem Bild ausserhalb der Welt.  

„Das bedeutendste Ereignis des frühen Kinos fand nicht bei Fabrikschluss in Lyon am 28. März 1895 statt, sondern sechs Monate darauf, als sich die Arbeiterinnen auch hier am Ende eines Arbeitstages erneut vor die Kamera ihrer Arbeitgeber begaben, sich in das Bild zwängten und ihren Schritt beschleunigten, um sich der Geschwindigkeit der Filmspule anzupassen. Es handelt sich um die Erfindung einer neuen Physik, die über das Aufzwingen der Laufzeiten auf den Körper, der Materialökonomie, über die Verdichtung der Räume in den Bildern funktioniert. Film ist also nicht nur die Erfindung eines rhythmischen Antriebs für den Filmstreifen, um die Bewegung der Welt wiederzugeben; er ist Akt der Produktion neuer Körper, Räume und Rhythmen. Film hat mit Repräsentation nichts zu tun. Er ist ein morphologischer Wendepunkt. Er entsteht tatsächlich in der Faltung eines Herbstnachmittags, wenn die Zahnung eines Getriebes, die Reaktionszeit eines Silbersalzkorns und der Körper einer Arbeiterin zusammentreffen." (Fabien Giraud / Raphaël Siboni)

Die aktuellen Arbeiten von Fabien Giraud und Raphaël Siboni verweisen auf den historischen Zeitraum zwischen diesen beiden Werkschlüssen. Auf der Grundlage dieser Latenz erwägen sie die Möglichkeit eines Kinos, in dem die Körper nicht dem Bild, die Gesten nicht der Laufzeit unterworfen wären und der Mensch folglich nicht das alleinige Maß der Dinge darstellen würde. All ihren Filmen liegt die gleiche Dynamik zugrunde, fördern sie doch Zeitlichkeiten zutage, die unserer Gegenwart sehr fremd sind. Dazu reduzieren sie den Film auf reines Licht, das auf die Erdoberfläche trifft (La Vallée von Uexküll), synchronisieren unser Museumserlebnis mit Geochronologie (La Mesure Minérale), setzen eine Kamera dem zerstörerischen Blick eines Teilchenbeschleunigers aus (La Mesure Louvre) oder „verzweifachen" die Ruinen eines antiken Tempels (Bassae Bassae). Alle im Casino Luxembourg gezeigten Filme konfrontieren uns damit, dass wir nicht länger im Zentrum des Bildes stehen, und ermöglichen uns so die Erfahrung einer Gegenwart, die nicht nur für uns ist, sondern sogar die Möglichkeit unserer Abwesenheit beinhaltet.Die neue Filmreihe The Unmanned, der die Ausstellung ihren Namen verdankt, dient angesichts all dieser Maßlosigkeiten als mögliche Orientierungshilfe. Die als nicht menschliche, rückwärts erzählte Geschichte der Technik beginnt 2045 mit dem Tod von Ray Kurzweil an der Schwelle zur technologischen Singularität - und lässt im weiteren rückwärtigen Verlauf aus jedem Stein, aus jeder Biegung die mögliche Abzweigung zu einer ganz anderen Zukunft werden.theunmanned.com

Bibliographie, vidéographie et sitothèque dans le cadre de l'exposition The Unmanned

Extraits de tous les films de l'exposition sur theunmanned.comSur les artistes Fabien Giraud et Raphaël SiboniArt contemporain, De leur temps (4), collections privées : regards croisés sur la jeune création, Silvane Editoriale Milano, 2013, p.113-­114.Dreamlands, Des parcs d'attractions aux cités du futur, Centre Pompidou Paris, 2010.Du Yodel à la physique quantique, vol.4, Palais de Tokyo Paris, vol.4, 2011.Palais, no. 12, Palais de Tokyo Paris, été 2010.Palais, no. 15, Numéro spécial: L'Histoire du Palais de Tokyo depuis 1937, Palais de Tokyo Paris, 2012.The Unmanned (2013/2014)Alain Bethoz, Le sens du mouvement, Editions Odile Jacob (Sciences) Paris, 1997.Ray Kurzweil, The age of spiritual machines, Penguin London, 2000.Barry Ptolemy, Transcendent Man, The life and ideas of Ray Kurzweil, 2009 :http://www.youtube.com/watch?v=si-wEKBX3joAndré Leroi-­Gourhan, Hand und Wort, Die Evolution von Technik und Kunst, Frankfurt am Main, 1988 (trad.de l'éd. orig. Technique et langage, 1964/1965).La série Sans Titre (La Vallée Von Uexküll) (2009/2014)Jakob Von Uexküll, Niegeschaute Welten, Paul List Verlag München, 1957.Jakob Von Uexküll, Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen, Julius Springer Berlin, 1934.Jakob von Uexküll, Mondes animaux et monde humain, suivi de Théorie de la signification, Denoël Paris, 1965 : http://fr.scribd.com/doc/39286543/Jacob-von-Uexkull-Mondes-animaux-et-monde-humain-suivi-de-Theorie-de-la-significationFilm de Fernand Deligny : Le moindre geste (1962-­1971)Film de Michael Snow : La région centrale (1971)Partie 1 : http://vimeo.com/76310883Partie 2 : http://vimeo.com/76310882Bassae Bassae (2013/2014)Alain Badiou, Court Traité d'Ontologie Transitoire, Seuil Paris, 1998.Films de Jean-Daniel Pollet : Bassae (1964), L'Ordre (1974) et Méditerranée (1963)La Mesure Minérale (2012)Quentin Meillassoux, Après la finitude. Essai sur la nécessité de la contingence, Seuil, 2006.Quentin Meillassoux en conversation avec Fabien Giraud, 29/11/2011 :http://www.rosascape.com/site/who-­‐giraud-­‐us.html

Ausstellungen

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Partners

Die Ausstellung wurde von Casino Luxembourg produziert in Zusammenarbeit mit: Vox - Centre de l'image contemporaine (Montreal), Biennale internationale d'art numérique (Montreal), Centre international d'art et du paysage de l'île de Vassivière.Das Projekt Bassae Bassae wurde ausgewählt und unterstützt von der Förderkommission der Fondation Nationale des Arts Graphiques et Plastiques